LAG Vorstand zur Sendung „Team Wallraff“

Derzeit beschäftigt eine Sendung des „Team Wallraff“ die Gemüter. Die LAG WfbM Berlin und ihre Mitglieder möchten diese Vorfälle zum Anlass nehmen, einen etwas differenzierteren Blick zu wagen und einzuladen, mit uns gemeinsam an einer Weiterentwicklung der Angebote für Menschen mit Behinderung mitzuwirken.

LAG Vorstand zur Sendung „Team Wallraff“

Aktiv gemeinsam gestalten statt aufdecken

Derzeit beschäftigt eine Sendung des „Team Wallraff“ die Gemüter. Am 20. Februar 2017 berichtete das investigative Redaktionsteam über Einrichtungen der Behindertenhilfe und dokumentierte einen menschenverachtenden Umgang des Personals mit Menschen mit Behinderungen. Selbstverständlich distanzieren auch wir uns entschieden von Art und Weise des Umgangs mit Menschen mit Behinderung, wie er in diesem Beitrag gezeigt wird. Dies ist nicht akzeptabel. Uns geht es jedoch um mehr als bloße (berechtigte) Empörung, Entlastungsstrategien oder verkürzte Schuldzuweisungen.

Diejenigen, die schon immer skeptisch auf die Einrichtungen der Behindertenhilfe geschaut haben, sehen sich in Ihrer Meinung bestätigt. Die Einrichtungen selbst fühlen sich falsch verstanden und gehen zu den üblichen Reflexen der Verteidigung über. Die LAG WfbM Berlin und ihre Mitglieder möchten diese Vorfälle zum Anlass nehmen, einen etwas differenzierteren Blick zu wagen und einzuladen, mit uns gemeinsam an einer Weiterentwicklung der Angebote für Menschen mit Behinderung mitzuwirken.

Zu unserem professionellen Selbstverständnis gehört neben einer kritischen Reflexion unbedingt, Lösungsansätze zu entwickeln und darüber in Austausch zu gehen. Nur so kann die Qualität unserer Arbeit gesichert werden und selbstbestimmte Teilhabe am Arbeitsleben der Menschen erreicht werden.

Bekannt ist, dass Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen in einem erhöhten Maß von Gewalt betroffen sind. Der Umgang mit Personen mit Unterstützungsbedarf erfordert darum eine besondere Verantwortung und Sensibilisierung für das Thema. Eine professionelle Beziehung zeichnet sich durch reflektierte Nähe und Distanz im Handeln sowie Respekt und Wertschätzung für das Gegenüber aus.

Die Mitglieder der LAG WfbM haben mit ihrem gemeinsam erarbeiteten Konzept Handlungsempfehlung zur Gewaltprävention bereits vor zwei Jahren einen Vorschlag unterbreitet, wie man solchen wie in dem Beitrag dargestellten Vorfällen möglichst im Vorfeld begegnen kann.

Gleichzeitig stehen wir für eine Kultur der Transparenz ein, die es bei derartigen Vorkommnisse allen ermöglicht, diesen mit Offenheit und Entschiedenheit zu begegnen. Gern möchten wir die Abstimmungen zur vollumfänglichen Umsetzung des Konzeptes in allen Mitgliedsorganisationen der LAG WfbM Berlin mit der dafür zuständigen Senatsverwaltung zügig abschließen.

Dem besonders kritisch dargestellten Thema der beruflichen Bildung in Werkstätten für behinderte Menschen haben sich die Mitglieder der LAG WfbM Berlin bereits vor vielen Jahren gestellt. Zu diesem Zweck stimmen sich seit langem alle Mitglieder in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zu beruflichen Bildungskonzepten und deren Anerkennung ab. Es entstanden vereinheitlichte Bildungsrahmenpläne und Qualifizierungsinhalte. Die Zusammenarbeit mit der IHK, der Handwerkskammer und der Bundesagentur für Arbeit wurde intensiviert, um innerhalb unseres Angebotsspektrums und nach außen Durchlässigkeit zu ermöglichen.

Manchmal sind es aber auch bestehende Rahmenbedingungen, die eine wünschenswerte Entwicklung bremsen. So ist bis heute die Einordnung der beruflichen Bildung in den Werkstätten in das bundesdeutsche Bildungssystem nicht erfolgt. Und natürlich haben auch die Werkstätten selbst noch viel zu tun, um die erarbeiteten Bildungssysteme und – inhalte flächendeckend umzusetzen. Es ist jedoch auch hier zu kurz gedacht, lediglich auf mögliche Versäumnisse der Werkstätten zu schauen, ohne die Hemmnisse des Systems in die Betrachtung mit einzubeziehen.

Für die Stärkung der professionellen Arbeit und die Bereitstellung entsprechender Rahmenbedingungen, räumliche und personelle Ausstattungen sind neben den Werkstätten auch Politik und Verwaltung gefordert. Nur im engen Schulterschluss aller Partner kann es gelingen, gute Voraussetzungen für eine selbstbestimmte Teilhabe aller Menschen, auch mit vielfältigen Behinderungen, am Arbeitsleben zu schaffen.

Investigativer Journalismus, wie der vom „Team Wallraff“, kann auch zu Recht kritisch betrachtet werden. Aus unserer Sicht wäre hier ein sofortiges Eingreifen und Unterbinden zum Schutz der Menschen zwingend notwendig gewesen. Scheinbar begnügt sich das investigative Team jedoch mit der bloßen Dokumentation auch noch an einen zweiten oder dritten Tag zur Materialsammlung für ihren Beitrag. Wir meinen, bei solchen Vorkommnissen sind alle herausgefordert, unmittelbar und entschieden zu reagieren und Position zu beziehen.

Aber es ist auch unstrittig, dass investigativer Journalismus Verwerfungen eines Systems offenbart und darauf aufmerksam macht. Das ist wichtig. Dem möchte sich die LAG WfbM Berlin stellen. Damit es erst gar nicht zu „verdeckten Ermittlungen“ kommen muss, werben wir für offene und transparente Einrichtungen und laden jeden ein, mit uns gemeinsam an der Weiterentwicklung des Werkstattkonzeptes zu arbeiten. Von einer Vielzahl unserer 10.000 Beschäftigten im Berufsbildungs- und Arbeitsbereich der Werkstatt und in den Förderbereichen erfahren unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter täglich viel Zuspruch und Anerkennung. Um diese Atmosphäre und unsere Arbeit verständlich und transparent zu machen, führt die LAG WfbM das Projekt SCHICHTWECHSEL durch. Interessierte sind eingeladen, am 12. Oktober 2017 mit unseren Beschäftigten für einen Tag den Arbeitsplatz zu wechseln. So soll jeder Gelegenheit haben, Einblicke in die Arbeit unserer Werkstätten zu erhalten und Erfahrungen im Umgang mit Menschen mit Behinderung zu machen.

Ab Mitte April können Sie sich auf www.schichtwechsel-berlin.de über das Projekt informieren und mitmachen. Unser Ziel ist es, die Unterstützung für Menschen mit Behinderungen weiter zu entwickeln, den Blick der Gesellschaft zu schärfen und in Zukunft solche Situationen erst gar nicht mehr entstehen zu lassen.


Kontakt: info(at)lag-ifd.de

Download:
LAG Handlungsempfehlung zur Gewaltprävention“, Berlin 2015


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