Im Zusammenschluss zum Ziel

Das Projekt LiVeMAP schafft ein Netzwerk für Übergänge auf den Allgemeinen Arbeitsmarkt

In der Praxis zeigt sich, dass der Übergang aus der Werkstatt für Menschen mit Behinderung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis nur für einen kleinen Teil möglich ist. Deswegen hat die LAG WfbM Berlin zusammen mit der Bildung, Umschulung, Soziales (BUS) gGmbH ein aus ESF Mittel gefördertes Projekt ins Leben gerufen. Es trägt den Titel LiVeMAP    – LAG im Verbund für Menschen, Arbeitgeber und Partner und wurde vom 1. Oktober 2016 bis 31. September 2018 erprobt. Ziel war es, Beschäftigte in dem Projekt intensiv und praxisnah an die Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes heranzuführen.

Mangel an Kontakt und Informationen

Bisher haben zahlreiche Aktivitäten und Untersuchungen gezeigt, dass Inklusion nur mit gezielten Informationen und Unterstützung, sowohl für Menschen mit Behinderung als auch für Unternehmen funktionieren kann. In einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, wurde ermittelt, dass Unternehmen kaum Kontakt und Vernetzung zu Menschen mit Behinderung haben. Ihnen fehle es an Bewerbungen von geeigneten Menschen, Beratungen zur barrierefreien Ausstattung, Informationen über Fördermöglichkeiten sowie praktischer Unterstützung und Begleitung bei der Integration in den betrieblichen Alltag.

Zudem bieten der Demografische Wandel und der Fachkräftemangel nicht zwangsläufig eine Chance für Menschen mit Behinderungen. Arbeitsplätze mit einfach strukturierten und überschaubaren Aufgaben werden weniger. Mögliche Nischenarbeitsplätze werden in den Betrieben meist nicht identifiziert und das standardisierte Auswahl- und Bewerbungsverfahren bietet in aller Regel keine niedrigschwelligen Zugänge für Werkstattbeschäftigte.

Trotz dieser Hindernisse zeigen sich Unternehmen durchaus interessiert, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. Wenn sie bereits Erfahrungen mit Menschen mit Behinderung gemacht haben (als Praktikanten oder Mitarbeiter), steigen sie ihre Bereitschaft und Bemühungen um Beschäftigungs- und Ausbildungsangebote deutlich. Es zeigt sich, dass daraus wichtige Schneeballeffekte entstehen können.

Ängste der Beschäftigten

Unsicherheit und Zurückhaltung sind auch in der Perspektive der Beschäftigten erkennbar. Oftmals haben Werkstattbeschäftigte bereits arbeitsbiographische Erfahrungen, Misserfolge und Kränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erlebt, die häufig zu Ängsten und Vermeidungsstrategien führen können. Die Werkstatt für Menschen mit Behinderungen wird als Ort des Schutzes, eines gleichgesinnten sozialen Umfeldes und zur Entwicklung eines positiven Selbstwertgefühls wahrgenommen. Beschäftigten erleben sich hier häufig erstmals oder wieder als Leistungsträger. Je nach Verweildauer haben sie den Bezug zum Arbeitsleben außerhalb der Werkstatt verloren, oder haben noch keine berufliche Perspektive außerhalb der Werkstatt entwickelt.

Werkstatt als Vermittler

Die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen haben den Auftrag zur Vorbereitung der Beschäftigten auf einen möglichen Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Diesen Auftrag erfüllen die Werkstätten seit langem mit hoher Qualität im Rahmen der vorhandenen Ressourcen. Doch auch die Anforderungen des Arbeitsmarktes und seine Arbeitsprozesse sind einem Wandel unterlegen. Zeitliche Ressourcen zur Einarbeitung an einem konkreten Arbeitsplatz/Praktikumsplatz in den Betrieben vor Ort sind aufgrund der internen Einbindung nicht immer in ausreichendem Maße vorhanden. Es fehlt oftmals eine aufsuchende Struktur, die zwischen dem Lernort Werkstätten und dem Lernort Betrieb vermittelt, um eine realitätsnahe und damit nachhaltige Vorbereitung zu ermöglichen.

Zusammenschluss mit klarer Zielsetzung

Das Projekt LiVeMAP setzt an diesem Verbindungspunkt an. Das Projekt stand den Beschäftigten aller 17 Werkstätten der LAG WfbM Berlin offen, unabhängig von einer anerkannten Schwerbehinderung. Die Auswahl und Besetzung der 30 Plätze erfolgte in enger Zusammenarbeit mit den Sozialarbeitern und Fachkräften in den Werkstätten. Zugangsvoraussetzung war der Partizipationswunsch des Beschäftigten, die Einschätzung der Fachkräfte und eine positive Prognose für den angestrebten Prozess.

Die Zielsetzung beinhaltete eine Qualifizierung und Kompetenzzuwachs für die Werkstattbeschäftigten. Für die Unternehmen bot das Projekt die Möglichkeit, Erfahrungen im Kontakt mit Menschen mit Behinderung zu sammeln und eine Annäherung an neue Perspektiven und Beschäftigungsverhältnisse.

Für die LiVeMAP Projektmitarbeiter lautete der Auftrag neben der gezielten Qualifizierung der Teilnehmerinnen, Praktika und Arbeitsplätze auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt zu akquirieren und damit Kontakte zu Betrieben für eine nachhaltige Kooperation zu generieren. Ergebnisse des Projektes waren sowohl Überleitungen in sozialversicherungspflichtige Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis (ein Budget für Arbeit, 2 weitere Angebote für ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis wurden abgelehnt) als auch die Schaffung von sieben neuen betriebsintegrierten Arbeitsplätzen (drei weitere sind in Aussicht gestellt) sowie der Verbleib in der Werkstatt, mit einem erweiterten Arbeitsfeld und Verantwortlichkeiten.

Qualifizierung in der Praxis

Durch die Akquise potentieller Praktikums- und Arbeitsplätze für die Teilnehmer konnte eine Vernetzung zwischen Werkstätten und den Unternehmen der freien Wirtschaft, als potenzielle Arbeitgeber erreicht werden. Unternehmen und Beschäftigte wurden während der Erprobungsphasen begleitet. Ergänzt wurde die Arbeitserprobung durch aufeinander abgestimmte Theorie- und Praxisphasen zur beruflichen Qualifizierung. Zu den Qualifizierungsangeboten zählten Kompetenzerfassung, Berufswegplanung, Bewerbungsmanagement, Festigung und Weiterentwicklung von Schlüsselqualifikationen sowie Vertiefung und Vermittlung von Fachwissen.

Während des Projektes wurde Kontakt zu rund 300 Berliner Betrieben hergestellt, die grundsätzlich interessiert waren, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. 27 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben innerhalb der Laufzeit insgesamt 38 betriebliche Erprobungen absolviert.

Neue Erfahrungen und Perspektiven

Die Ausgangslagen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sehr individuell und verschieden, ebenso gestaltete sich der Wissens- und Erkenntniszuwachs. Insbesondere durch die Erfahrungen in den Praktikumsphasen zeigten sich sehr unterschiedliche persönliche und zeitlich differenzierte Entwicklungen. So berichtete ein Teilnehmer von seiner Praxiserfahrung: „Anfänglich bin ich damit gut zurechtgekommen aber etwa nach der Hälfte der Praktikumszeit wurde es für mich schwieriger mit den Rahmenbedingungen zurecht zu kommen […]Meine Teamleiter und die anderen mir Vorgesetzten waren alle sehr nett und hilfsbereit. Probleme untereinander wurden in höflicher und korrekter Weise gelöst. Dass ich aus einer Behindertenwerkstatt in das Praktikum kam, spielte für die Kollegen keine große Rolle.“ Es konnten bei den Beschäftigten durch die Teilnahme verschieden Qualifizierungserfolge verzeichnet werden. Dazu gehören die Stärkung des Selbstvertrauens und die Entwicklung eines Teamgeists, aber auch eine realistische Selbsteinschätzung ihrer beruflichen Potenziale und damit eine Konkretisierung der Planung ihrer beruflichen Werdegänge. So schlussfolgerte der Teilnehmer aus seiner Erfahrung: „Ich habe jetzt wesentlich mehr Arbeitserfahrung als vorher. Und ich weiß jetzt, dass ich eher einem anderen Arbeitsbereich kennenlernen bzw. ein Praktikum machen möchte. Mit Uhrzeiten wie in der Werkstatt und ohne Schichtsystem.“

Gemeinsam in einer Gruppe und im engen regelmäßigen Austausch zu stehe, spielte eine große Rolle für die Motivation der Teilnehmenden. Aber auch für die Unternehmen war der Kontakt zu den Werkstätten innerhalb des Projektes wichtig. Kontinuierliche Angebote mit einem festen Ansprechpartner wurden daher von Unternehmen als förderlich bewertet. Gerade kleine und mittlere Unternehmen haben von dem besonderen Beratungs- und Unterstützungsangebot des Projektes profitieren, da sie oft über keine eigene Personalabteilung verfügen.

„Voraussetzung für diesen Prozess sehen wir in einem ständigen Coaching in der Zusammenarbeit von Werkstatt, LiVeMAP und unserem Betrieb. Stets wurde beobachtet, wo der Praktikant, in seiner Entwicklung bei uns steht und wurden fördernde Schritte eingeleitet. Beispielsweise benötigt er nach längerem Urlaub ein Briefing, um sich wieder voll einzufinden. Der Nutzen dieser intensiven Begleitung zeigt sich darin, dass er heute ein eigenständiger Mitarbeiter ist, der unseren Abläufen und Prozessen dient. Letztlich darf man ja nicht vergessen, dass wir ein Wirtschaftsunternehmen mit Zielvorgaben sind.“, so das Fazit eines beteiligten Unternehmens.

Durch das Projekt entstand eine Nachhaltigkeit für die Betriebe im Erfahrungsgewinn in der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung, neuer Ansprechpartner bei den Werkstätten, der LAG WfbM und dem IFD ÜWA sowie Informationen zu Fördermöglichkeiten.

Eine Nachhaltigkeit der Übergänge auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt und der entstanden Betriebsintegrierten Arbeitsplätze konnte über die Einbindung des IFD ÜWA nach Projektende erzielt werden.

Die Werkstätten gewannen durch LiVeMAP zusätzliche Erkenntnisse zu Beschäftigten für weiterführende Arbeit, die Festigung der Zusammenarbeit im Rahmen der LAG WfbM und eine Systematische Erfassung von Betrieben des Allgemeinen Arbeitsmarktes mit Bereitschaft zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung.

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